Lionel Fawcett, Gesang
  Schiller und die Musik
 

Schiller und die Musik

 Gesprächskonzert

Programm

 

 

Franz Schubert                                     Der Jüngling am Bache
(1797-1828)                 

 Johann Friedrich Reichardt                    Die Macht des Gesanges
(1752-1814)                                         

 Carl Friedrich Zelter                               Die Ideale                                
(1758-1832)      

 Johann Rudolf Zumsteeg                       Ritter Toggenburg
(1760-1802)                                         

 Franz Schubert                                     Der Taucher

           
 
Pause

 Franz Schubert                                     Gruppe aus dem Tartarus

 Franz Schubert                                     Sehnsucht

 Robert Schumann                                 Zwei Lieder aus „Wilhelm Tell“:  
(1810-1856)                                           Des Sennen Abschied (Der Hirt)

 Franz Liszt                                           Der Alpenjäger
(1811-1886)

 Giuseppe Verdi      Szene und Arie des Walter aus "Luise Miller"  (Kabale und Liebe)
(1813-1901)


Der Jüngling am Bache

An der Quelle saß der Knabe,
Blumen wand er sich zum Kranz,
und er sah sie fortgerissen
treiben in der Wellen Tanz.
Und so fliehen meine Tage
wie die Quelle ratlos hin!
Und so bleichet meine Jungend,
wie die Kränze schnell verblühn!

Fraget nicht, warum ich traure
in des Lebens Blütenzeit!
Alles freuet sich und hoffet,
wenn der Frühling sich erneut.
Aber diese tausend Stimmen
der erwachenden Natur
wecken in dem tiefen Busen
mir den schweren Kummer nur.

Was soll mir die Freude frommen,
die der schöne Lenz mir beut?
Eine nur ist’s, die ich suche,
sie ist nah und ewig weit.
Sehnend breit ich meine Arme
nach den teuren Schattenbild,
ach ich kann es nicht erreichen,
und das Herz bleibt ungestillt!

Komm herab, du schöne Holde,
Und verlass dein stolzes Schloss!
Blumen, die der Lenz geboren,
streu ich dir in deinen Schoß.
Horch, der Hain erschallt von Liedern
Und die Quelle rieselt klar!
Raum ist in der kleinsten Hütte
für ein glücklich liebend Paar.

 „Der Jüngling am Bache“ in einer Vertonung Franz Schubert                    

Der große Liedkomponist Franz Schubert schrieb dieses soeben gehörte Lied 1812 mit 15 Jahren. Es ist das 10. von über 600 Liedern, die er in seinem kurzen Leben von 31 Jahren schrieb. Und das 3. von über 40 Vertonungen zu Gedichten von Friedrich Schiller. Über die Hälfte dieser Lieder schrieb Schubert in seinen ersten Kompositionsjahren. Die Gedichte von Friedrich Schiller erwiesen sich als eine der wichtigsten Quellen Schubert’schen Vertonungen, und kein anderer großer Liedkomponist hat sich so intensiv mit der Lyrik Schillers auseinandergesetzt. Der junge Schubert verehrte den großen Schiller, der so hoch im Ansehen der gebildeten Welt stand. Er hatte jene Kühle und Unwirtlichkeit der Schiller’schen Texte überwunden, obwohl sie ihm immer wieder zu schaffen machten. Allerdings waren es andere Dichter, die meistens die absoluten Höhepunkte der Inspiration bei Schubert hervorriefen – Johann Baptist Mayrhofer, Wilhelm Müller und Johann Wolfgang Goethe zum Beispiel.

 Das eben gehörte Lied „Der Jüngling am Bach“ kann man als Schuberts erstes „gelungenes“ Lied bezeichnen. Hier vernimmt man eine typische Schubert’sche Melodie, frisch, geschmeidig, beweglich und bestimmend für alle 4 Strophen. Allerdings gibt es bei jeder Strophe eine unterschiedliche und geschickte Wendung und Endung - eine wirkungsvolle variierte Strophenform also. Die Qualität dieses Werks ist einmalig in dieser Anfangszeit und wurde erst 2 Jahre später von dem großartigen „Gretchen am Spinnrad“ übertroffen. Schiller kannte die Schubert’schen Lieder nicht. Er konnte sie nicht kennen, da er 1805 (vor 200 Jahren) mit 46 Jahren starb. Schubert war damals erst 8 Jahre alt. Hätte Schiller diese Lieder gemocht? Hätte er sie verstanden?

 Da Schiller sich kaum zur Musik äußerte, ist es für uns schwer, diese Fragen zu beantworten. Seine Beziehung zur Musik war sicherlich keine mindere, aber er hatte keine besondere musikalische Begabung. Er genoss die Musik selbstverständlich als spontan Genießender, und über seine ausgeprägte Bildung konnte er sich auch intellektuell mit ihr auseinandersetzen. Jedoch beherrschte er die Musiksprache nicht. Einige Zitate seiner Zeitgenossen verdeutlichen seine Einstellung zur Musik: „Bei der Gelegenheit sprachen wir von Musik, von der Schiller gar nichts versteht, die er aber, wie er sagt, außerordentlich liebt“ und „Nun ließ er sich weitläufig über Musik aus, von welcher er behauptete, dass einer ihrer Hauptzwecke ein gewisses Empfänglichmachen des Gemüts für ästhetische Eindrücke sei“.

 Schillers 10 Jahre älterer Kollege und Freund Johann Wolfgang Goethe, der Schiller um 27 Jahre überlebte, war musikalische sehr bewandert, spielte Klavier und hat sich in seinen Gedichten, Bühnenwerken und Prosa sehr oft über die Macht der Musik geäußert. Und ich denke, dass wir seine Meinung zu Vertonungen von Gedichten und zu denen von Schubert auf Schiller übertragen dürfen. Wie war Goethes Meinung?

Goethes Zugang zur Musik war zunächst ein intellektueller und ein theoretischer. „Ich kenne Musik mehr durch Nachdenken als durch Genuss“, obwohl er sich als „Guthörender“ bezeichnete. Er verehrte die Musik als „die ganze Fülle der schönsten Offenbarung Gottes“ und „Wer Musik nicht liebt, verdient nicht, ein Mensch genannt zu werden; wer sie liebt ist ein halber, wer sie treibt ist ein ganzer Mensch“. Er liebte vor allem die Ausgewogenheit in der Musik und die dazu gehörige durchsichtig lineare Melodieführung. Das ideale Mittel für die Vertonung seiner Gedichte war das Strophenlied, wobei die Musik für jede Strophe des Gedichtes gleich bleibt, ohne Rücksicht auf die verschiedenen Stimmungen und Ereignisse im Gedicht. Die Direktheit und die emotionale Dynamik der so genannten durchkomponierten Liedform, die doch wohl auf die verschiedenen Stimmungen und Ereignisse des Gedichtes eingehen, und mit unterschiedlichen musikalischen Mitteln den Text deuten, widerstrebte ihm. Wovor er tatsächlich Angst hatte, war, dass die Dominanz seiner Kunst, das geschriebene Wort, durch eine fantasievolle und variierte Vertonung in Frage gestellt werden könnte. Die Musik sollte, wie der perspektivisch gemalte Hintergrund einer Bühnendekoration, die Grundstimmung des Gedichtes darstellen und nicht in die Handlung eingreifen.

 Wir haben festgestellt, dass Schiller die Lieder von Schubert nicht kennen konnte. Goethe dagegen, der Schubert um 4 Jahre überlebte, hatte wohl die Möglichkeit, die Schubert’schen Lieder kennen zu lernen. 1816 ließ Schubert einige seiner hervorragendsten Goethevertonungen mit einem Begleitbrief nach Weimar zu Goethe, dem Kulturpapst der Zeit schicken, mit der Bitte, diese Lieder dem großen Dichter widmen zu dürfen. Goethe hat die Liedsendung kommentarlos zurück geschickt. Wenn man die oben genannten Liedideale Goethes Schuberts Liedäußerungen gegenüber stellt, kann man fast die Empörung des 67jährigen Dichters über den 19jährigen Komponisten wohl verstehen. Wir können die Reaktion Schillers gewiss ähnlich einschätzen. Wie waren aber die Vertonungen, die Schiller kannte und bewunderte?

 Wir kommen zu 3 Komponisten, die Schiller persönlich kannte, und deren Lieder Beispiele für sein Liedideal und das Liedideal der Zeit waren. Zu ihrer Zeit waren diese Komponisten sehr berühmt, obwohl sie heute nur am Rande von Interesse sind.

 Schiller schrieb 2 Gedichte, die sich mit dem Wesen der Musik auseinandersetzen: „Der Tanz“ und „Die Macht des Gesanges“. Wenn „Der Tanz“ Fragen nach Bedeutung und Form mit philosophischen Weisheiten antwortet, ist „Die Macht des Gesanges“ eher eine Huldigung, voller Macht und Pathos. Johann Friedrich Reichardt, deutscher Komponist, Schriftsteller, Musikkritiker und Herausgeber, vertonte dieses 2. Gedicht nach den strengen Formen des Strophenliedes – eine schreitende Melodie mit schlichten Harmonien in der Begleitung. Hier wirkt die musikalische Umsetzung nur als Mittel der Gedichtsrezitation. Reichardt war ein sehr produktiver Komponist und veröffentlichte 30 Sammlungen mit mehr als 1000 Liedern. Seine so genannten „Stimmungslieder“ wirkten auf die Liedkomponisten der Zeit wie Zelter, Loewe, Weber und Schubert. Schiller lernte Reichardt 1789 in Weimar kennen. Offensichtlich haben sie sich nicht gut verstanden. Schillers Urteil war vernichtend: „Ein unerträglich aufdringlicher und impertinenter Bursche“. Trotzdem freute er sich über Reichardts Vertonungen seiner Gedichte, die auch dazu beitrugen, seine Lyrik bekannt zu machen. Das Lied „Die Macht des Gesanges“ erschien zum ersten Mal in dem von Schiller herausgegebenen Musen-Almanach von 1796.

 Die Macht des Gesanges

 Ein Regenstrom aus Felsenrissen,
er kommt mit Donners Ungestüm,
Bergtrümmer folgen seinen Güssen,
und Eichen stürzen unter ihm,
erstaunt mit wollustvollem Grausen
hört ihn der Wanderer und lauscht,
hört die Flut vom Felsen brausen,
doch weiß er nicht, woher sie rauscht,
so strömen des Gesanges Wellen
hervor aus nie entdeckten Quellen.

 Verbündet mit den furchtbar’n Wesen,
die still des Lebens Faden dreh'n,
wer kann des Sängers Zauber lösen,
wer seinen Tönen widersteh’n?
Wie mit dem Stab des Götterboten
beherrscht er das bewegte Herz,
er taucht es in das Reich der Toten,
er hebt es staunend himmelwärts,
und wiegt es zwischen Ernst und Spiele
auf schwanker Leiter der Gefühle.

Wie wenn auf einmal in die Kreise
der Freude, mit Gigantenschritt,
geheimnisvoll nach Geisterweise
ein ungeheures Schicksal tritt.
Da beugt sich jede Erdengröße
dem Fremdling aus der andern Welt,
des Jubels nichtiges Getöse
verstummt, und jede Larve fällt,
und vor der Wahrheit mächt’gem Siege
verschwindet jedes Werk der Lüge.

 „Die Macht des Gesanges“ in einer Vertonung von Johann Friedrich Reichardt

 Auch der deutsche Komponist und Musikpädagoge Carl Friedrich Zelter komponierte Lieder für Schillers Musen-Almanach. Schiller lernte ihn 1796 in Weimar kennen, wo er oft zu Besuch bei Goethe war. Er wirkte und wohnte in Berlin und war maßgebend für die Entwicklung der so genannten Berliner Schule. Zu seinen Schülern gehörten Mendelssohn, Nicolai, Loewe und Meyerbeer. Seine kraftvolle Persönlichkeit tritt sehr lebendig in dem Briefwechsel mit Goethe hervor, mit dem ihn eine lebenslange herzliche Freundschaft verband. Goethe schätzte Zelters Vertonungen sehr, weil sie nach seinem Sinn das Eigenleben der Dichtung nicht durch „zu viel Musik“ störten, sondern den Stimmungsgehalt nur musikalisch unterstrichen. Zelter hat sich offensichtlich gut mit Schiller verstanden und hat eine ganze Reihe von Liedern für den Musen-Almanach komponiert. Das folgende Liedbeispiel „Die Ideale“ entstammt einem sehr bekannten Schiller-Gedicht, bestehend aus 11 Strophen. Zelter verkürzte es und wählte daraus 3 der eindrucksvollsten Strophen für seine Vertonung.

 Die Ideale

 So willst du treulos von mir scheiden
mit deinen holden Phantasien,
mit deinen Schmerzen, deinen Freuden,
mit allen unerbittlich flieh’n?
Kann nichts dich, Fliehende! verweilen,
O! meines Lebens goldne Zeit?
Vergebens, deine Wellen eilen,
hinab ins Meer der Ewigkeit.

 Erloschen sind die heitern Sonnen,
die meiner Jugend Pfad erhellt,
die Ideale sind zerronnen,
die einst das trunk’ne Herz geschwellt,
er ist dahin, der süße Glaube
an Wesen, die mein Traum gebar,
der rauhen Wirklichkeit zum Raube,
was einst so schön, so göttlich war.

 Von all dem rauschenden Geleite,
wer harrte liebend bei mir aus?
Wer steht mir tröstend noch zur Seite,
und folgt mir bis zum finstern Haus?
Du, die du alle Wunden heilest,
der Freundschaft leise zarte Hand,
des Lebens Bürden liebend teilest,
du, die ich frühe sucht’ und fand.

„Die Ideale“ in einer Vertonung von Carl Friedrich Zelter

 Der Komponist Johann Rudolf Zumsteeg war ein Schulfreund Schillers. Beide waren Schüler an der herzoglichen Militär-Akademie (der so genannten Militär-Pflanzschule) in Stuttgart. Zumsteeg wurde zum Hofkapellmeister und Komponisten vieler Opern. Vor allem aber waren es seine Balladenvertonungen, deren dramatischer Darstellungsstil zu der Zeit bahnbrechend waren, und auch großen Einfluss auf den jungen Schubert ausübten. Schiller und Zumsteeg blieben auch nach der engen Freundschaft der Schulzeit in Verbindung, bis zu Zumsteegs frühem Tod. Von ihm stammen die ersten Kompositionen überhaupt zu Texten von Schiller: „Gesänge aus dem Schauspiel die Räuber“ aus dem Jahre 1782. Zumsteeg setzte die folgende Ballade „Ritter Toggenburg“ zunächst nicht als Strophenlied um. Die anfängliche, bewegte Handlung wird in einer abwechslungsreichen Liedform umgesetzt. Erst als die Handlung sich beruhigt und der Protagonist sich auf Sitzen und Warten einlässt, nimmt Zumsteeg die ruhige und zurückhaltende Strophenliedform auf.

 Ritter Toggenburg                 

 Inhaltsangabe:

Diese Ballade zeigt die Kraft der Liebe, die bis in den Tod hinein das Leben eines Menschen bestimmt.
Ritter Toggenburg ist auf dem Weg zum Heiligen Grab in Jerusalem. Er nimmt bewegt Abschied von seiner Geliebten, die aber nur geschwisterliche Liebe für ihn empfinden kann.
Im heiligen Land vollbringt Toggenburg als Kreuzritter wahre Heldentaten, kann aber keine Ruhe finden. Er verlässt das Heer und kehrt in die Heimat zurück.
Als er am Schloss der Geliebten ankommt, erfährt er an der Pforte, dass sie am Tag zuvor in ein Kloster eingetreten ist. Daraufhin entsagt er der Welt, zieht ein schlichtes Büßergewand an und baut sich in der Nähe des Klosters eine Hütte. Immer wieder blickt er nach dem Fenster der Geliebten, um sie wenigstens einmal am Tag zu sehen. Das allein tröstet ihn und lässt ihn ohne Schmerzen und Klage ausharren. So vergehen viele Jahre. Als sie eines Tages wieder einmal ihr Fenster öffnet, blickt sie in das bleiche, stille Antlitz eines Toten.

 „Ritter Toggenburg“ in einer Vertonung von Johann Rudolf Zumsteeg

 Der Hauptanteil Schillers lyrischer Arbeiten ist auf seine Freundschaft zu Goethe im Jahre 1794 zurückzuführen. Der rege Austausch dieser 2 Kolosse der deutschen Literatur inspirierte in den folgenden 4 Jahren bei beiden eine ganze Reihe von Gedichten und Balladen. Abgesehen von Schillers Bühnenwerken sind es vor allem die Balladen, die ihn bis in die jüngste Zeit im Bewusstsein halten. Er wusste wie kein Anderer die lyrischen, epischen und dramatischen Elemente zu vereinen. Balladen waren dramatische Kurzgeschichten und das Herzstück der deutschen Klassik – Goethe meinte: „Das Ur-Ei der Poesie“. Sie waren eine Fundgrube von Lebensregeln und Lebensweisheiten, und zogen deswegen eine große Leserschaft an – die Leser liebten sie. Schillers Balladen erreichten eine Popularität aber ohne formale Mittelmäßigkeit – eine Volkstümlichkeit ohne Geschmackszugeständnisse. Auch wenn Schillers Werke heute in den Lehrplänen der Schulen seltener geworden sind, gibt es kaum jemanden, besonders unter der älteren Generation, der nicht verpflichtet wurde, eine Ballade oder zwei auswendig zu lernen.

 m so genannten Balladenjahr 1797 schrieb Schiller 6 seiner berühmtesten Kunstballaden u.a. „Der Taucher“, „Der Handschuh“ und die soeben gehörte „Ritter Toggenburg“. In den folgenden Jahren sind auch „Die Bürgschaft“ und „Das Lied von der Glocke“ erschienen.

Eine der schaurigsten, romantischsten und längsten Balladen ist „Der Taucher“. Die Abenteuergeschichte dreht sich um Tyrannen-Willkür, Heldentum, Habgier und Liebe. In einem Geniestreich fast jugendlichen Leichtsinns vertonte der 17jährige Franz Schubert diese Ballade. Sie ist nicht nur die umfangreichste sondern eine der ausdruckstärksten. Und sie ist wahrscheinlich das längste Lied aller Zeiten, wobei die Terminologie Lied nicht unbedingt zutrifft. Hier handelt es sich vielmehr um eine Art Balladenkantate, eine melodramatische Abhandlung, eine musikalische Deklamation, die einer Opernszene ähnelt. Der junge Schubert demonstrierte schon mit dieser ambitionierten und selbstbewussten Leistung eine hohe musikalische Kompetenz, eine unglaubliche musikalische Begabung und dramatischen Instinkt.

Fast alle Schubertlieder sind in der Singstimme im Violinschlüssel notiert. Dies ist teilweise auf die Tatsache zurückzuführen, dass einer der Hauptverfechter der Schubert’schen Musik zu seiner Lebzeit ein Tenor-Bariton namens Johann Michael Vogl war, der in der hohen Lage sang. „Der Taucher“ jedoch ist eins von 27 Liedern, die von Schubert im Bassschlüssel notiert sind – ein Grund mehr, dieses fast nie aufgeführte Werk an dieser Stelle in Originaltonart zu präsentieren.

 Der Taucher

 Inhaltsangabe:

Die Ballade zeigt den Menschen im Kampf mit der Nuturgewalt des Meeres. Wenn er es übertreibt, kann er gegen die Schicksalsmacht im Dienste des göttlichen Weltgeschehens nur verlieren.
Der König wirft von der Höhe der Klippe einen Becher ins strudelnde Meer und fordert seine Ritter und Knappen auf, durch Tauchen nach dem Becher das Geheimnis der Meerestiefe zu ergründen. Der Becher selbst soll der Lohn sein. Keiner will es wagen, bis auf einen Edelknecht, der das wütende Toben der Meeresbrandung abwartet und sich in einem ruhigen Augenblick von der Klippe ins Meer stürzt. (Schiller, der wegen Krankheit in seiner Reiselust begrenzt war, hat in seinem Leben weder das Meer noch die Gebirge gesehen.) Als ihn alle schon aufgegeben haben, kommt der mutige Taucher wieder an die Oberfläche, den Becher in seinen Händen.
Jubel bricht aus. Der Becher wird mit funkelndem Wein gefüllt. Der Jüngling kniet vor dem König und erzählt Allen von seinen schrecklichen Erlebnisse in der Tiefe: Die Strudel hätten ihn ergriffen und in die Tiefe gerissen. Nur durch Zufall habe er einen Felsvorsprung ergreifen können. In der Tiefe unter ihm seien schreckliche Ungeheuer zu sehen gewesen. Jeder Sprung in diese Tiefe sei eine Versuchung der Götter.
Der König will trotz der Einwände seiner Tochter den Jüngling überreden, es noch einmal zu versuchen. Die Königstochter soll sogar sein Lohn sein. Der Edelknabe kann der Versuchung nicht widerstehen und stürzt sich ein zweites Mal hinunter. Er bleibt in den Tiefen des Meeres.

 „Der Taucher“ in einer Vertonung von Franz Schubert

 

Pause



Teil II

 1817, drei Jahre nach der Ballade „Der Taucher“, ist Schubert 20 Jahre alt. Er ist im Liedrausch. In 3 Jahren hatte er beinahe 300 Lieder komponiert – die Hälfte der Gesamtzahl. Viele dieser Lieder sind seine größten. Schubert ist ein Anderer geworden. Er ist auf dem Höhepunkt seines Könnens. Und jetzt komponiert er seine berühmteste Vertonung eines Schiller-Gedichts „Gruppe aus dem Tartarus“.

Tartarus ist ein finsterer Abgrund, tief unter der Unterwelt, in den die olympischen Götter ihre Gegner stürzten. Sie stöhnen und ächzen, möchten von ihrer Hölle erlöst werden. Aber bis auf ewig sind sie verdammt. Leitmotiv dieses Liedes ist eben die Qual, die Schubert durch aufsteigende Halbtonrückungen symbolisiert. Diese Chromatik beherrscht den Verlauf des Stückes, wird aber durch das triumphierende Wort „Ewigkeit“ aufgelöst – die ewige, endgültige Verdammnis also. Das Lied kann man nicht unbedingt als eingängig bezeichnen – es gibt keine konventionelle „Liedmelodie“, der Gesang rezitiert. Voller Unruhe, Dramatik und krasse Gegensätze wirkt der Ausdruck erschreckend, und weist weit auf die Musiksprache von Wagner und Wolf voraus. Es gibt auch eine deutliche Ausprägung des Klavierparts, der durch harmonische und rhythmische Waghalsigkeiten das Geschehen voran treibt. Obwohl dieses Lied in der Singstimme im Violinschlüssel herausgegeben wurde, ist es von der Tonhöhe her tief gesetzt. Dies deutet auf die Basslage hin, die dem literarischen und musikalischen Inhalt völlig entspricht.      

 Gruppe aus dem Tartarus

 Horch – wie Murmeln des empörten Meeres,
wie durch hohler Felsen Becken weint ein Bach,
stöhnt dort dumpfigtief ein schweres, leeres,
qualerpresstes Ach!

 Schmerz verzerret ihr Gesicht,
Verzweiflung sperret ihre Rachen fluchend auf.
Hohl sind ihre Augen – ihre Blicke
spähen bang’ nach des Kozytus Brücke,
folgen tränend seinem Trauerlauf,
fragen sich einander ängstlich leise:
Ob noch nicht Vollendung sei? –
Ewigkeit schwingt über ihnen Kreise,
bricht die Sense des Saturns entzwei.

 „Gruppe aus dem Tartarus“ in einer Vertonung von Franz Schubert

Friedrich Schiller wurde 1759 in Marbach am Neckar geboren. Heute ist  Marbach Sitz des Schiller-Nationalmuseums und des Deutschen Literaturarchivs, beide von großem, nationalen und internationalem Renommee. Stationen seiner Kindheit waren Lorch in der Nähe von Schwäbisch Gmünd, Ludwigsburg, wo Schiller viele Opernaufführungen des Hoftheaters erlebte, und Stuttgart, wo er als Internatsschüler der herzoglichen Militär-Akademie (der so genannten Militär-Pflanzschule) 7 Jahre weilte und litt. Der tyrannische Herzog von Württemberg, Karl Eugen, verstand sich hier als persönlicher Erzieher und bestimmte jeden Werdegang. Der junge Schiller wollte eigentlich Theologie studieren, aber sein Landesherrscher bestimmte ihn für ein Jurastudium. Jedoch durfte er später in der neu eingerichteten medizinischen Fakultät letztendlich Medizin studieren und wurde zum Chirurg ausgebildet.

In der Zwischenzeit hatte er sich intensiv mit Literatur und Philosophie beschäftig. 1782 (Schiller war 23) sah die erste Aufführung seines Geniestreiches, das Bühnenwerk „Die Räuber, ein Trauerspiel“, am Nationaltheater Mannheim unter der Ägide des Intendanten Heribert von Dalberg. Er wollte die Gesellschaftsordnung über den Haufen werfen, er beschrieb die Obrigkeit als kriminell, die Armen als Opfer und die Räuber als ihre Rächer. Das Stück war ein außerordentlicher Erfolg, wurde überall im deutschsprachigen Raum gespielt und machte Schiller über

Nacht berühmt und zum Symbol des Freiheitskampfes. Dies gefiel dem Tyrannen in Stuttgart gar nicht. Er verbot Schiller das Schreiben und das Verlassen des Stuttgarter Raums. Schillers Antwort: „Leidenschaft für die Dichtkunst ist feurig und stark, wie die erste Liebe. Was sie ersticken soll, facht sie an“. Mit einem Freund, dem angehenden Musiker Andreas Streicher, flieht er nach Mannheim, wo beide eine Zeit lang zusammen wohnen. Dies war Schillers intensivste Begegnung mit der Musik. Streicher erzählte: Durch das Anhören von Musik sei Schiller, „außer sich selbst versetzt worden, in eine Stimmung, die ihn der bedrängenden Wirklichkeit überhob und ihn einhüllte in die Welt des neu entstehenden Werkes. Wenn nun die Dämmerung eintrat, wurde sein Wunsch (das Klavierspiel) erfüllt, während dem er im Zimmer, das oft bloß durch das Mondlicht beleuchtet war, mehrere Stunden auf und ab ging und nicht selten in unvernehmliche, begeisterte Laute ausbrach“. Nach einer gescheiterten Anstellung als Theaterdichter, nach einer Erkrankung an Malaria im damaligen von Sumpf umgebenen Mannheim und mit einem großen Schuldenberg verließ der fast zerbrochene Schiller nach 3jährigem Aufenthalt die Stadt Mannheim. Nach Aufenthalten in Leipzig und Naumburg gelangte er nach Weimar, in die Stadt Wielands, Herders, Hölderlins, Jean Pauls und Goethes, und in die des Kunstfreundes Herzog Carl August von Weimar. Nach intensiver Auseinandersetzung mit verschiedenen europäischen Geschichtsereignissen bekam er 1789 mit 30 Jahren eine Professur für Geschichte an der Universität in Jena. Ein Jahr später heiratete er Charlotte von Lengefeld, mit der er 4 Kinder zeugte. Ende 1799 (er ist 40) zog er mit der Familie nach Weimar, wo er mit seinem Kollegen und Freund Johann Wolfgang Goethe intensiv zusammenarbeitete.

 Zwei Faktoren bestimmten Schillers Alltag: Krankheit und Fleiß. 1791, ein Jahr nach seiner Heirat, erkrankte Schiller an Rippenfellentzündung. Wenige Wochen später kam ein weiterer Anfall: eine chronische Bauchfellentzündung, die erst nach Monaten zurück ging. Das folgende Jahr brachte weitere Krankheitsanfälle, die auch danach immer wieder ausbrachen. Er war geschwächt und seine Gesundheit blieb sehr labil bis zu seinem Tod 13 Jahre später. Und er lebte ungesund: er schlief tagsüber, da er am besten nachts schreiben konnte; er trank immer sehr viel Kaffee; er bewegte sich zu wenig, ging selten aus dem Haus; er rauchte viel und konnte sich den Tag (und die Nacht) ohne viel Wein und Branntwein nicht vorstellen. Schon beim ersten Anfall fühlte er sich dem Tode nahe. Er schrieb: „So gerne wünsche ich das noch zu erreichen, wozu eine dunkle Ahnung von Kräften mich zuweilen ermuntert. Wenigstens fühle ich, dass ich auf dem Weg dazu bin und dass, wenn mein böses Schicksal mich jetzt schon abgerufen hätte, der Nachruf der Welt mir sehr Unrecht getan haben könnte. Ich gestehe, dass der Gedanke daran mich in den kritischen Augenblicken meiner Krankheit peinigte, und dass es mir künftig eine große Angelegenheit sein wird, den Weg zu jenem Ziele zu beschleunigen“. Fleißig war Schiller immer, aber jetzt, da seine Lebenspanne knapper zu sein schien, war er von seinem Sendungsbewusstsein noch besessener. Sein starker Wille war ungebrochen, und er hatte noch sehr viel vor. „Jetzt ist ein starker Wille Herr im Hause, der die Launen des Körpers so fest im Griff hat, dass sie den Flug in das Reich der Ideen und Ideale nicht behindern“. Von nun an bis zu seinem Tod schrieb er all seine Lehrgedichte, die Balladen und seine klassischen Dramen: „Wallenstein“, „Maria Stuart“, „Die Jungfrau von Orleans“, „Die Braut von Messina“ und „Wilhelm Tell“, die er auch in Weimar inszenierte. Mit einer schier unglaublichen physischen und mentalen Anstrengung trotze er der Krankheiten und dem Tod. Es gab eine Verbindung zwischen seinem Leiden und seinem Ehrgeiz, die zu seiner uferlosen Kreativität führten. Sein Tod 1805 war keine Überraschung mehr. Der Arzt, der ihn obduzierte, stellte der Zerfall fast aller Organen fest und schloss lapidar seinen Bericht mit: “Bei diesen Umständen muss man sich wundern, wie der arme Mann so lange hat leben können“. Sein Wille, seine mentale Kraft und eine unglaubliche Zielstrebigkeit bescherten ihm und uns seine Werke.

 Es war Schillers Überzeugung, dass es möglich sei, Dinge zu beherrschen statt sich von ihnen beherrschen zu lassen. „Ich habe die Menschen gesehen, ihre Bienensorgen und ihre Riesenprojekte – ihre Götterpläne und ihre Mäusegeschäfte“, so bringt Karl Moor in den „Räubern“ einen der Widersprüche des menschlichen Daseins auf dem Punkt. Eingespannt zwischen Alltagssorgen und dem Streben nach Höherem – dies ist Schiller selbst: In seinen Werken entwirft er große Ideen, im Alltag erledigt er die mühsamen „Mäusegeschäfte“ des Familienvaters. So wird er zu einem der ersten virtuosen Strategen des frühen Literaturbetriebs, ein souveräner Anwalt seiner Stoffe mit einem klaren und pragmatischen Kopf: „Ich stürze aus meinen idealistischen Welten, sobald mich ein zerrissener Strumpf an die Wirklichkeit mahnt“.

 Das nächste Lied „Sehnsucht“ von Franz Schubert ist auch für die Bassstimme notiert. Trotz der überragenden Stelle, die das vorhergehende Lied einnimmt, könnte man dieses Lied als Schuberts allerbeste Vertonung eines Schillergedichts bezeichnen. Es ist mehrteilig und ähnelt einer Opernszene. Die illustrativen Genieblitze, besonders in den Überleitungen, geben dem Lied den entscheidenden Umschwung zwischen verschiedenen Stimmungen und Empfindungen. Es ist ein durchkomponiertes Lied, das die lyrische Qualität des Gedichtes sehr ergreifend trifft.

 Die philosophische und soziale Bewegung der Aufklärung stellte grundsätzlich das Christentum in Frage – die Frage nach dem „Woher“ und dem „Wohin“. Die daraus resultierende Befreiung des Bürgertums schaffte Freiraum für den individuellen und persönlichen Glaube und für die individuelle Selbstverwirklichung, die Demut und Buße im kirchlichen Sinn nicht förderte. Besonders der Künstler, dessen Glaube an sich und seine Kunst oft formale Religiosität ablehnte, fühlte sich zu weniger persönlich verpflichtenden Glaubensalternativen hingezogen. Die künstlerische Bewegung der Klassik des 18. Jahrhunderts orientierte sich stark an die frühere Klassik der Griechen und an die griechische Mythologie. Auch Schiller in Gedichten wie „Die Götter Griechenlands“, „Dithyrambe“ oder hier „Sehnsucht“ zeigt diese Neigung. Die Künstler fanden Trost in der Vorstellung einer paradiesischen Götterwelt, die edlen Kunstideale versteht und huldigt.     

 Mein Glaube:

Welche Religion ich bekenne?
Keine von allen, die du mir nennst!
„Und warum keine?“
Aus Religion.

Sehnsucht

 Ach, aus dieses Tales Gründen,
die der kalte Nebel drückt,
könnt’ ich doch den Ausgang finden,
ach wie fühlt’ ich mich beglückt!
Dort erblick’ ich schöne Hügel,
ewig jung und ewig grün!
Hätt’ ich Schwingen, hätt’ ich Flügel,
nach den Hügeln zög’ ich hin.

 Harmonien hör’ ich klingen,
töne süßer Himmelsruh',
und die leichten Winde bringen
mir der Düfte Balsam zu,
gold’ne Früchte seh’ ich glühen
winkend zwischen dunkelm Laub,
und die Blumen, die dort blühen,
werden keines Winters Raub.

 Ach wie schön muss sich’s ergehen
dort im ew’gen Sonnenschein,
und die Luft auf jenen Höhen
o wie labend muss sie sein!
Doch mir wehrt des Stromes Toben,
der ergrimmt dazwischen braust,
seine Wellen sind gehoben,
dass die Seele mir ergraust.

 Einen Nachen seh ich schwanken,
aber ach! Der Fährmann fehlt.
Frisch hinein und ohne Wanken,
seine Segel sind beseelt.
Du musst glauben, du musst wagen,
denn die Götter leih'n kein Pfand,
nur ein Wunder kann dich tragen
in das schöne Wunderland.

 „Sehnsucht“ in einer Vertonung von Franz Schuber

Schillers Gedichte sind zum Teil sehr intellektuell geprägt und werden als Gedankenlyrik bezeichnet. Sie waren keine ideale Vorlage für das Gefühlsleben der Musik. Hier war die romantisch angehauchte Lyrik Goethes als musikalische Vorlage geeigneter und fand mehr Zuneigung von den Komponisten, eine Zuneigung die noch heute andauert. Hier kann Schiller nicht mithalten, und seit Ende des 19. Jahrhunderts hat das Interesse von Komponisten für seine Lyrik stark nachgelassen. Aber zu seiner Lebzeit, der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts und noch 50 Jahre danach war die Situation gänzlich eine Andere. Alle unbedeutenden und bedeutenden Liedkomponisten (außer Mozart!) hatten sich der Gedichte Schillers bedient. Dies war bezeichnend für Schillers Popularität zu dieser Zeit. Aber es war die darauf folgende Dichtergeneration, die der Romantiker, die die großen Liedkomponisten des 19. Jahrhunderts am meisten inspirierte.

 Die Epoche der Romantik brachte eine Flut von Liederkomponisten. Zwei der bedeutendsten waren Robert Schumann und Franz Liszt, um 13 bzw. 14 Jahre jünger als Franz Schubert. Hier ist die subjektive, sinnliche und lyrische Musiksprache der Romantik erst recht erreicht, die Intellektualität und Formalität der Klassik überholt. Die folgenden 2 Lieder sind Vertonungen von Gedichten aus Schillers letztem Bühnendrama „Wilhelm Tell“. Beide versetzen uns in eine Berglandschaft: das erste Lied voller Zauber in eine blühende Alpennatur inklusive Jodelimitation; das zweite in die Dramatik einer kargen, beängstigenden Nuturgewalt.

 Der Hirt

 Ihr Matten lebt wohl,
ihr sonnigen Weiden!
Der Senne muss scheiden,
der Sommer ist hin.
        Wir fahren zu Berg, wir kommen wieder,
        wenn der Kuckuck ruft, wenn erwachen die Lieder,
        wenn mit Blumen die Erde sich kleidet neu,
        wenn die Brünnlein fließen im lieblichen Mai.

Ihr Matten lebt wohl,
ihr sonnigen Weiden!
Der Senne muss scheiden,
der Sommer ist hin.

 „Des Sennen Abschied (Der Hirt)“ in einer Vertonung von Robert Schumann

 Der Alpenjäger

 Es donnern die Höhen, es zittert der Steg,
nicht grauet dem Schützen auf schwindlichtem Weg,
Er schreiet verwegen
auf Feldern von Eis,
da pranget kein Frühling,
da grünet kein Reis;
und unter den Füßen ein neblichtes Meer,
erkennt er die Städte des Menschen nicht mehr,
durch den Riss nur der Wolken
erblickt er die Welt,
tief unter den Wassern
das grünende Feld.

 „Der Alpenjäger“ in einer Vertonung von Franz Liszt

 Schillers Gedichte und Bühnenwerke wurden in allen möglichen Besetzungen musikalisch umgesetzt. Sie umfassen: Das Sololied mit Klavier oder Gitarren-Begleitung, das Sololied mit Chor (meist Männerchor), Duette, Lieder mit Orchesterbegleitung, Chorsätze in unterschiedlichen Besetzungen, Konzertarien, Kantaten, Oratorien, Hymnen , Märsche, Festmusik, Charakterstücke für Klavier, Ouvertüren, Sinfonische Dichtungen, Melodramen mit Klavier oder Orchester, Schauspielmusik und Opern. Ob die Scharen von Komponisten (meist zweitklassig), sich für die zum Teil spröden und nicht immer wohlklingenden, fast antimusikalischen Schiller-Texte ihres literarischen Wertes oder ihrer edlen Aussagekraft wegen entschieden hatten, oder wegen der Popularität des Dichters und der damit verbundenen Verkaufswahrscheinlichkeit, bleibt dahingestellt.

 Drei Gattungen sind von besonderem Interesse: Zunächst die Gattung der Sololieder mit Chor – meist Männerchor. Diese fast vergessene Form sah einen Solovortrag mit abwechselndem Chor vor. Oft wurde diese Abwechslung schon im Gedicht vorgegeben, wie bei Schillers wohl bekanntestem Gedicht „An die Freude“. Das Gedicht wurde von zahllosen Liedkomponisten vertont, nicht zuletzt von Ludwig van Beethoven, der diesen Text im letzten Satz seiner letzten, der 9. Sinfonie aufnimmt – gesetzt für 4 Gesangssolisten, Chor und Orchester in wohl der großartigsten und berühmtesten Vertonung, die es gibt.

Eine weitere für uns heute unbekannte Gattung ist das Melodram, das sich der Kombination Sprechen und Musik bediente: Eine Art musikalisches Schauspiel also, in dem das gesprochene Wort und damit die Handlung von Musik untermalt und illustriert wurde. Hauptsächlich waren es Schillers dramatische Balladen, die so musikalisch bearbeitete wurden. Auch abendfüllende Werke für Solisten, Chor und Orchester wie zum Beispiel Vertonungen der Ballade „Das Lied von der Glocke“ von Andreas Romberg oder Max Bruch waren wichtige Höhepunkte im öffentlichen Musikleben des 19. Jahrhunderts.

 Und viele der Schiller’schen Dramen wurden in Musikdramen umgewandelt, vor allem von dem Italiener Giuseppe Verdi, der 4 Opern zu Texten von Schillers Bühnendramen komponierte: Giovanna d’Arco (Die Jungfrau von Orleans), I Masnadieri (Die Räuber), Luisa Miller (Kabale und Liebe) und Don Carlos. Verdi, der in einem besetzten und unterdrückten Italien aufwuchs und lebte, und sich mit seiner Musik sehr stark für die italienische Befreiungsbewegung „Risorgimento“ einsetzte, verehrte Schiller besonders seines Freiheitsglaubens wegen. Seine Kompositionen sind zum Teil radikale Bearbeitungen, die oft die Handlungen und die menschlichen Beziehungen der Schiller’schen Vorlage verschieben. Die Vaterfiguren sind bei Schiller zum Beispiel, tyrannische Autoritätsfiguren; bei Verdi strahlen sie in ihrer Autorität auch Liebe und Gnade aus.

 Das letzte Musikbeispiel ist die Arie des Grafen Walter aus der Oper „Luisa Miller“. In Schillers Standeskonflikt „Kabale und Liebe“ ist Walters radikale Unnachgiebigkeit und intrigante Gemeinheit monströs. In der Oper wird er zu einer beherrschenden Autoritätsfigur, dem das Wohl seines Sohnes wirklich am Herzen liegt, auch wenn er letztendlich für die Tragik und das Leid der Abhandlung vollends verantwortlich ist.

 Szene und Arie des Walter aus Luise Miller (Kabale und Liebe) von

Giuseppe Verdi (1849); Text von Salvatore Cammarano (1801-1852)

Übersetzung:

 Rezitativ:
Ach, alles gelingt mir, nur du mein Sohn, du allein wagst es!
Du weiß nicht, wie viel dein Glück mich kostet!
Oh, du wirst es niemals wissen.

 Arie:
Mein Blut, das Leben gäbe ich, um ihn glücklich und mächtig zu sehen.
Doch meine Wünsche, meine Befehle werden von seinem verkanntes Herzen entgegnet.
Sanfte väterliche Gefühle bleiben mir verwehrt.
Entsetzliche Qual, Strafe von der Hölle des erzürnten Gottes
wird mir beschert.

Zugabe:

 Dithyrambe (Der Besuch)

Nimmer, das glaubt mir,
erschienen die Götter,
nimmer allein.
Kaum dass ich Bacchus den lustigen habe,
kommt auch schon Amor, der lächelnde Knabe,
Phöbus der Herrliche findet sich ein.
        Sie nahen, sie kommen
        die Himmlischen alle,
        mit Göttern erfüllt sich
        die irdische Halle.

Sagt, wie bewirt’ ich,
der Erdegeborne,
himmlischen Chor?
Schenket mir euer unsterbliches Leben,
Götter! Was kann euch der Sterbliche geben?
Hebet zu eurem Olymp mich empor.
        Die Freude, sie wohnt nur
        in Jupiters Saale,
        o füllet mit Nektar,
        o reicht mir die Schale!

Reich ihm die Schale!
Schenke dem Dichter
hebe nur ein.
Netz’ ihm die Augen mit himmlischem Taue,
dass er den Styx, den verhassten, nicht schaue,
einer der Unsern sich dünke zu sein.
        Sie rauschet, sie perlet,
        die himmlische Quelle,
        der Busen wird ruhig,
        das Auge wird helle.

 „Dithyrambe (der Besuch)“ in einer Vertonung von Franz Schubert

 

 
  Heute waren schon 1 Besucher (4 Hits) hier!  
 
Diese Webseite wurde kostenlos mit Homepage-Baukasten.de erstellt. Willst du auch eine eigene Webseite?
Gratis anmelden